Kondolieren mit KI: Ein Asado der Emotionen. (KI-Glosse Nr. 1, erschienen in DIE ZEITUNG)

Kondolieren mit KI: Ein Asado der Emotionen.

Während ich mich an die Vorbereitung des Asados (Barbecue in Paraguay) mache, kommt in mir die unangenehme Erinnerung hoch, noch einen Kondolenzgruß an die Witwe meines ehemaligen Geschäftsfreunds zu schicken – einem Mann, dem ich mehr vertraute als meinem Schatten, und der nicht nur meinen Geldbeutel, sondern auch meine Kunst, Kunden, Rinder und sogar zwei Liebschaften auf dem Gewissen hat. Um meinen Gefühlen eine halbwegs gesellschaftsfähige Fassade zu verleihen, greife ich hilfesuchend zu einer künstlichen Intelligenz auf meinem Smartphone – eine digitale Gedankenschleuder, die mich und meine Persönlichkeitsstruktur nun schon etwas genauer kennt.

Die künstliche Intelligenz beginnt vorsichtig: „Mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Möge dein Mann in Frieden ruhen, so wie das Fleisch auf einem Grillrost perfekt zur Ruhe kommt.“

Während ich das Feuer anheize, wird mir klar, dass dieser „Frieden“ vielleicht nicht so im inneren Einklang ist wie die Ruhe des gegrillten Fleischs – besonders wenn man bedenkt, dass dieser Mann mehr Unruhe in mein Geschäftsleben gebracht hat als eine Herde aufgescheuchter Rinder. Die KI scheint dies auch zu ahnen. Subtil lässt sie durchblicken, dass ich meinem ehemaligen Geschäftspartner nicht wirklich nachtrauere.

Die algorithmischen Beileidsbekundungen gehen weiter: „Möge die Erinnerung an deinen Mann so intensiv sein wie der Rauch, der vom Grill aufsteigt.“ Ein ironisches Lächeln entweicht mir, denn ich weiß nur allzu gut, dass die Erinnerung an meinen ehemaligen Geschäftspartner eher wie der beißende Rauch ist, der meine Augen tränen lässt.

Die KI setzt ihre trügerischen Worte fort: „Dein Mann wird immer einen besonderen Platz in unseren Herzen haben, so wie das perfekt zubereitete Fleisch einen besonderen Platz auf dem Teller einnimmt.“ Doch während ich die Marinade auftrage, kann ich nicht umhin zu denken, dass dieser „besondere Platz“ im wörtlichen Sinn nicht so herzlich ist, wenn man bedenkt, dass mein Verlust eher geschäftlicher Natur ist als emotional.

Während ich das Asado wende, überlege ich, ob ich die KI überfordert habe. Vielleicht ist es unmöglich, den Tod meines ehemaligen Geschäftsfreunds mit einer würdigen Note zu umschreiben. Oder vielleicht ist die Technologie einfach nicht dafür geschaffen, die Wahrheit zu verschleiern – selbst, wenn sie mit den besten Absichten programmiert wurde.

Die Sonne neigt sich, die Grillkohle glüht, und ich entscheide mich für Ehrlichkeit. „In Erinnerung an unsere abenteuerliche ‚Geschäftsbeziehung‘“, schreibe ich nieder, während das Asado seinen kulinarischen Höhepunkt erreicht. „Möge er in einer Welt des fairen Handels ruhen, wo gestohlene Rinder und Kunstwerke nicht mehr kosten als ein Privatjet.“

Die KI schweigt. Manchmal sind die besten Kondolenzgrüße eben doch von Hand gewürzt – und mit einem Hauch von Ironie verfeinert.

 

Erschienen in: DIE ZEITUNG 01/24 (200), 31.01.24

 

veröffentlicht am 31.01.2024