Mensch oder Maschine? In Zeiten von generativer KI ist diese Frage nicht mehr so einfach zu beantworten. Während die einen nach Lösungen suchen, um die Person aus Fleisch und Blut vom Bot zu unterscheiden, arbeiten andere daran, dass digitale Zwillinge ihnen Arbeit abnehmen.

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Erschienen in: t3n Magazin Nr. 75, p. 66-69 (2.03.24)

KI und der Käsekringel: Ein Unternehmer kämpft um seinen Erfolg.

Der Käseanteil in den Chipas (herzhaftes paraguayisches Gebäck) ist zu gering. Der Geiz der Bäcker wird auch immer größer. Ich tunke einen trockenen Bogen in meinen Kaffee, damit der Teig wenigstens ein bisschen mürbe wird. Ich gebe zu, sehr schlecht gelaunt zu sein. Es ist mies gelaufen in den letzten Wochen für mich als Unternehmer. Die importierten Hochdruckreiniger sind als Fernost-Plagiate aufgeflogen. Zwei sind schon in Brand geraten, ausgerechnet an einer Tankstelle und in einem privaten Erwachsenenkino direkt am Museo Nacional de Bellas Artes. Und warum musste die Druckerei auf die frischen Etiketten für das vermeintliche Premium-Olivenöl ausgerechnet „Wildfang“ als Herkunftsland drucken. Der Patron einer berüchtigten Gastro-Dynastie hat mich bereits zum Essen einbestellt. Und Bandido, mein treuloser Papagei, hat den Zollbeamten beim Hausbesuch die Kennwortserie meiner Bitcoins verraten. Es wird immer brenzliger. Ich brauche einen Plan B.

In dem Moment, als ein nasser Chipabrocken wegbricht und irgendwo zwischen meinen Zehen verschwindet, blitzt in mir eine rettende Idee auf. Ich werde meine Lebenserfahrungen zu einer Geschäftsidee machen – Coaching für diejenigen, die alles vermasselt haben und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Geplatzte Verträge, Titelmissbrauch, Luxus auf Pump, Ärger mit Geldeintreibern, all das und mehr. Zielgruppe: männlich, zwischen 30 und 50 Jahren, mit versteckter Bindungsangst und großspurigem Auftreten. Mit meiner Erfahrung kann ich ihnen hervorragend helfen. Alles, was mein neues Unternehmen noch braucht, ist ein passendes Logo. Hier kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel, meine Geheimwaffe für alle Lebenslagen.

Die Logo-KI fragt gleich nach dem Firmennamen. Ich gebe „Erfolgscoach“ auf meinem Smartphone ein. Der Slogan? „Euch werd' ich's zeigen!“ Die Branche? Ich füttere die KI mit meinem Expertenportfolio: IT, Finanzen, Militäraccessoires, Landwirtschaft, Rohstoffe, Sondermaschinenvertrieb, Kryptowährungen, Immobilien. Und Nachhaltigkeit. Nun fragt die KI nach Markenattributen – sehr clever. Ich wähle „demütig“, „diskret“ und „disruptiv“. Die KI arbeitet vor sich hin, ein Balken nähert sich langsam der 100%-Marke. Ah, das Ergebnis ist da. Ein kreisförmiges Logo, der Firmenname „Erfolgscoach“ oben, der Slogan „Euch werd' ich's zeigen!“ unten, und in der Mitte die Silhouette eines würdevollen Helden! Nun ja, die KI scheint noch nicht perfekt zu sein – vor der Figur verlaufen störende stangenartige Striche mit einem Zylinderschloss-Symbol auf Handhöhe. Irgendwas in mir wird angetriggert. Nun schmecke ich doch etwas Käse raus. Egal, ich schicke eine zweite KI ins Rennen. Diese spuckt sofort ein Logo aus, das verdächtig an die Tarotkarte Nr. 0 erinnert – der Narr, der mit seinem Hündchen am Abgrund balanciert. Ich tippe: „Nochmal!“

Die KI kommt in Fahrt. Die Sprache wechselt auf Englisch, und das vorgeschlagene Logo zeigt einen stolzen Hirsch mit prächtigem Geweih auf quadratischem Grund. Das gefällt mir! Der zweite Vorschlag zeigt einen kernigen Typ! Leute, es wird immer besser. Nun wird es farbenfroher – aber was ist das? Inmitten des Logo sitzt der freche Bandido auf einem Käsekringel! Der kleine Schuft hat sogar die Buchstaben des Logos durcheinandergewürfelt (Bild 3). Vor Schreck fällt mir der letzte Chipasbrocken in den Kaffeebecher. Was für ein Tag. Von der Straße kommen ein paar Familienmitglieder der Gastro-Dynastie auf mich zu. Grimmige Gesichtszüge in meine Richtung, bei denen läuft es wohl auch nicht so gut. Die kommen wie gerufen, an ihnen werde ich gleich mal die neuen Logos testen.

 

Erschienen in: DIE ZEITUNG 02/24 (201), p. 26 (29.02.24)

Kondolieren mit KI: Ein Asado der Emotionen.

Während ich mich an die Vorbereitung des Asados (Barbecue in Paraguay) mache, kommt in mir die unangenehme Erinnerung hoch, noch einen Kondolenzgruß an die Witwe meines ehemaligen Geschäftsfreunds zu schicken – einem Mann, dem ich mehr vertraute als meinem Schatten, und der nicht nur meinen Geldbeutel, sondern auch meine Kunst, Kunden, Rinder und sogar zwei Liebschaften auf dem Gewissen hat. Um meinen Gefühlen eine halbwegs gesellschaftsfähige Fassade zu verleihen, greife ich hilfesuchend zu einer künstlichen Intelligenz auf meinem Smartphone – eine digitale Gedankenschleuder, die mich und meine Persönlichkeitsstruktur nun schon etwas genauer kennt.

Die künstliche Intelligenz beginnt vorsichtig: „Mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Möge dein Mann in Frieden ruhen, so wie das Fleisch auf einem Grillrost perfekt zur Ruhe kommt.“

Während ich das Feuer anheize, wird mir klar, dass dieser „Frieden“ vielleicht nicht so im inneren Einklang ist wie die Ruhe des gegrillten Fleischs – besonders wenn man bedenkt, dass dieser Mann mehr Unruhe in mein Geschäftsleben gebracht hat als eine Herde aufgescheuchter Rinder. Die KI scheint dies auch zu ahnen. Subtil lässt sie durchblicken, dass ich meinem ehemaligen Geschäftspartner nicht wirklich nachtrauere.

Die algorithmischen Beileidsbekundungen gehen weiter: „Möge die Erinnerung an deinen Mann so intensiv sein wie der Rauch, der vom Grill aufsteigt.“ Ein ironisches Lächeln entweicht mir, denn ich weiß nur allzu gut, dass die Erinnerung an meinen ehemaligen Geschäftspartner eher wie der beißende Rauch ist, der meine Augen tränen lässt.

Die KI setzt ihre trügerischen Worte fort: „Dein Mann wird immer einen besonderen Platz in unseren Herzen haben, so wie das perfekt zubereitete Fleisch einen besonderen Platz auf dem Teller einnimmt.“ Doch während ich die Marinade auftrage, kann ich nicht umhin zu denken, dass dieser „besondere Platz“ im wörtlichen Sinn nicht so herzlich ist, wenn man bedenkt, dass mein Verlust eher geschäftlicher Natur ist als emotional.

Während ich das Asado wende, überlege ich, ob ich die KI überfordert habe. Vielleicht ist es unmöglich, den Tod meines ehemaligen Geschäftsfreunds mit einer würdigen Note zu umschreiben. Oder vielleicht ist die Technologie einfach nicht dafür geschaffen, die Wahrheit zu verschleiern – selbst, wenn sie mit den besten Absichten programmiert wurde.

Die Sonne neigt sich, die Grillkohle glüht, und ich entscheide mich für Ehrlichkeit. „In Erinnerung an unsere abenteuerliche ‚Geschäftsbeziehung‘“, schreibe ich nieder, während das Asado seinen kulinarischen Höhepunkt erreicht. „Möge er in einer Welt des fairen Handels ruhen, wo gestohlene Rinder und Kunstwerke nicht mehr kosten als ein Privatjet.“

Die KI schweigt. Manchmal sind die besten Kondolenzgrüße eben doch von Hand gewürzt – und mit einem Hauch von Ironie verfeinert.

 

Erschienen in: DIE ZEITUNG 01/24 (200), 31.01.24

 

#23 Christian Hugo Hoffmann: Verantwortung aufteilen in Mensch-Maschine-Teams

Der Unternehmer, Philosoph, Ökonom und Publizist Christian Hugo Hoffmann sieht blinde Flecken in der KI-Entwicklung. Gemeinsam sprechen wir über Unterschiede der Intelligenz von Menschen, Tieren und Maschinen und wie diese Differenzen ihn zu seinem neuen Buch motiviert haben. Weiter geht es darum, inwiefern sich die Intelligenzforschung auf falschen Pfaden befindet, um Alleinstellungsmerkmale menschlicher Intelligenz sowie über die Simulationstheorie. Für die Zukunft sieht Christian Hugo Hoffmann die Zuschreibung von Verantwortung nicht nur beim Menschen oder nur der Maschine, sondern auch in Mensch-Maschine-Teams.

Autor: Karsten Wendland
Redaktion, Aufnahmeleitung und Produktion: Karsten Wendland
Redaktionsassistenz: Robin Herrmann

Licence: CC-BY

In dieser Episode genannte Quellen:

#22 Sebastian Rosengrün: Wiederverzauberung der Welt statt zauberhafter Technik?

Der Philosoph und Linguist Sebastian Rosengrün arbeitet zu Chancen und Gefahren Künstlicher Intelligenz im Wechselspiel mit der Gesellschaft. Er warnt davor, Chatbots als moralische Instanzen anzuerkennen und pocht darauf, der Gesellschaft mögliche Konsequenzen solcher Zuschreibungen aufzuzeigen. Statt uns magischer Science-Fiction-Geschichten hinzugeben sollten wir uns mit realen Fehlentwicklungen konfrontieren – um sie abzuwenden. Gemeinsam sprechen wir über Essays, die von Chatbots geschrieben wurden, welche Irrtümer man in KI-Entwicklung hineinprojizieren kann, und warum man den Podcast Selbstbewusste KI hören sollte.

Autor: Karsten Wendland
Redaktion, Aufnahmeleitung und Produktion: Karsten Wendland
Redaktionsassistenz: Robin Herrmann

Licence: CC-BY

In dieser Episode genannte Quellen:

#21 Karl Olsberg: Unkontrollierte bösartige KIs erwarte ich eher als die Lösung des Alignment-Problems

In seinen Romanen beschreibt der Science-Fiction-Autor Karl von Wendt (Pseudonym Karl Olsberg) zukünftige Welten, in den Menschen mit moderner Technik konfrontiert sind. Er zeigt, wie ihnen die Kontrolle über diese Technik entgleitet - bis hin zur Gefahr der völligen Vernichtung unserer Spezies. Anders als in seinen Romanen lässt sich in unsere realen Welt jedoch kein Held hineintexten, der die Menschheit vor dem Untergang retten kann. Karl von Wendt blickt mit Sorge auf zukünftige KI-Entwicklungen, insbesondere auf die Herausforderungen des Alignments von KI an verschiedenartige Wertekonzepte unterschiedlicher Menschengruppen. Seine Romane sollen die Leser zwar unterhalten, aber auch mahnen. So erzählt er auch, warum er das Moratorium zum 6-monatigen KI-Entwicklungsstopp des Future of Life Institutes mitunterzeichnet hat.

Autor: Karsten Wendland
Redaktion, Aufnahmeleitung und Produktion: Karsten Wendland
Redaktionsassistenz: Robin Herrmann

Licence: CC-BY

In dieser Episode genannte Quellen:

#20 Helen Piel & Rudolf Seising: In der deutschen KI-Geschichte ging es viel um „Geist" und wenig um Bewusstsein

Helen Piel und Rudolf Seising sind Wissenschaftshistoriker am Deutschen Museum in München. Gemeinsam sprechen wir darüber, wie sich Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz über die vergangenen Jahrzehnte verändert hat. Wir sprechen über die Entstehung des Begriffs Künstliche Intelligenz auf der Dartmouth-Konferenz 1956, den KI-Winter Anfang der 1970er und Versuche der Etablierung von „Intellektik“ als verbindende Fachwissenschaft zwischen Informatik und Kognitionswissenschaften. Es geht um blinde Flecken in der Wissenschaft, warum oft Jahrzehnte in falsche Richtungen geforscht wurde und wird, und wie alte Ideen wieder neu ins Zentrum der Relevanz rücken können.

Autor: Karsten Wendland
Redaktion, Aufnahmeleitung und Produktion: Karsten Wendland
Redaktionsassistenz: Robin Herrmann

Licence: CC-BY

In dieser Episode genannte Quellen:

#19 Joachim Keppler: Nicht das Gehirn ist Sitz des Bewusstseins – seine Kopplung an das Bewusstseinsfeld generiert bewusste Zustände.

Der theoretische Physiker Joachim Keppler forscht zu Bewusstsein mit strengen naturwissenschaftlichen Ansprüchen. Der Direktor des DIWISS-Instituts erläutert im Podcast, wie Bewusstsein in die Physik passt, dass Bewusstsein seinen exklusiven Ort gar nicht im Gehirn hat, und warum es sich vielmehr lohnt, das Hirn als Koppler an ein physikalisch beschreibbares Bewusstseinsfeld zu betrachten. Wir diskutieren die Frage, inwiefern man ein solcherart verstandenes Bewusstsein manipulieren oder gar hacken könnte, und natürlich, inwiefern Künstliches Bewusstsein auf diese Art möglich wäre.

Autor: Karsten Wendland
Redaktion, Aufnahmeleitung im Außeneinsatz und Produktion: Karsten Wendland
Redaktionsassistenz: Robin Herrmann

Licence: CC-BY

In dieser Episode genannte Quellen:

#18 Florian Arnold: KI-Segnungsroboter für verlorene Schäfchen - delegiertes Genießen, Mediengag oder Dehumanisierung?

Der Philosoph und Designtheoretiker Florian Arnold positioniert sich kritisch gegenüber modernen Segensrobotern oder KI-Religionen wie Way of the Future. Gemeinsam sprechen wir darüber, was Menschen dazu bewegt, solche Angebote anzunehmen, wie eine Gottheit funktioniert, die aus einem Quellcode besteht, wie diese Strukturen entstehen, sowie über die Zukunft der Kirche. Außerdem sprechen wir über Interpassivität, wie GPT einen Gottesdienst geschaffen hat und warum man einem KI-Gott nicht einfach den Stecker ziehen kann.

Redaktion, Aufnahmeleitung und Produktion: Annelie Hirth, Robin Herrmann
Herausgeber: Karsten Wendland

Licence: CC-BY

#17 Sascha Benjamin Fink: Mitleid könnte eine sinnvolle technische Funktion für Maschinen sein

Sascha Benjamin Fink kennt sich aus mit Schmerzerleben, Bewusstsein und Psychedelika. Der Professor für Neurophilosophie an der Universität Magdeburg forscht zu Neurophänomenalem Strukturalismus und kann verstehen, warum man darunter leiden kann, niemals einen Ferrari zu besitzen. Wir sprechen über die Möglichkeit leidensfähiger Maschinen und das „harte Problem“ des Bewusstseins. Außerdem berichtet er aus seinem neuen Forschungsprojekt PsychedELSI, das erste beeindruckende Ergebnisse in kontrollierter Therapie mit Psychedelika hervorbringt. Gemeinsam überlegen wir, inwiefern dies perspektivisch auch etwas für bewusste KI-Systeme sein könnte – High AI.

Autor: Karsten Wendland
Redaktion, Aufnahmeleitung und Produktion: Karsten Wendland
Redaktionsassistenz: Robin Herrmann

Licence: CC-BY

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